Beim Stringwalking wird die Sehne je nach Entfernung unterschiedlich weit unter dem Pfeil gezogen. Dadurch kann die Pfeilspitze immer genau ins Ziel gehalten und damit als Visier-Ersatz verwendet werden. Stringwalking ist von allen Zielmethoden ohne Visier die genaueste, darf aber bei Bewerben nicht in allen Bogenklassen verwendet werden.

Stringwalking beim Bogenschießen – Beschreibung und Fragen

Das Grundprinzip von Stringwalking besteht darin, dass um so mehr Abstand zwischen Pfeil und Zugfinger gelassen wird, je weiter die Entfernung unter dem Nullpunkt liegt. Als Nullpunkt bezeichnet man jene Entfernung, bei der die Pfeilspitze direkt ins Ziel zeigt und der Pfeil danach auch dort trifft, wenn der Zeigefinger direkt unter dem Pfeil liegt.
Wie weit jeweils abgegriffen werden muss, wird systematisch ausprobiert. Dafür unterteilt man sich den Distanzbereich am besten in Fünf-Meter Schritte und probiert jeweils unterschiedliche Griffweiten aus. Die ermittelten Weiten werden jeweils mitnotiert.

Menschliche Voraussetzungen für Stringwalking

Eine gewisse Sicherheit im Umgang mit Pfeil und Bogen sollte gegeben sein. Ansonsten ergibt sich möglicherweise das Problem, nicht unterscheiden zu können, ob Höhenunterschiede in der Trefferlage von einem falschen Abgriff oder einem Bewegungsfehler herrühren.
Wer auf unbekannte Entfernungen schießt, sollte natürlich in der Lage sein, Entfernungen gut schätzen zu können oder willens sein, es zu lernen. Zumindest wer Bewerbe schießen möchte, bei denen Entfernungsmesser nicht erlaubt sind, kommt um diese Thematik nicht herum.
Wer Stringwalking verwendet, dem muss klar sein, dass es gegenüber intuitivem Bogenschießen einen mentalen Mehraufwand bedeutet. Das Schätzen der Entfernung und das Abgreifen der Sehne kommen als zusätzlicher Bestandteil zum Schussablauf hinzu.

Kurs Bogenschießen

Technische Voraussetzungen

Auf der Sehne sollte ein zweiter Nockpunkt unterhalb der Pfeilnocke angebracht werden. Dieser darf die Nocke jedoch nicht quetschen, sondern die Nocke sollte ein klein wenig Spiel haben.
Ob jeder Bogen mit Stringwalking geschossen werden kann, ist eine häufige Frage. Prinzipiell lässt sich diese Zieltechnik unabhängig vom Bogentyp anwenden. Bei Bögen, die keine Tiller-Einstellung erlauben, kann es bei weitem Abgriff jedoch zu Problemen kommen, insbesondere dann, wenn diese Bögen von Haus aus auf einen hohen, sprich mediterranen Griff getillert sind.

Was tun, wenn der Nullpunkt zu nahe ist?

Ein sinnvolles Stringwalking nach oben, also mit Zeige- oder weiteren Fingern über dem Pfeil, ist kaum möglich. Einerseits könnte hier jeweils nur um einen ganzen Finger weiter gewandert werden, darüber hinaus erschwert der große Höhenunterschied zwischen Bogenhand und Sehnenhand das Ziehen des Bogens und führt wiederum zu einer extrem ungleichen Belastung der Wurfarme.
Liegt nun also der Nullpunkt mit drei-unter Griff beispielsweise bei 35 Metern, sollen aber Entfernungen bis beispielsweise 55 Metern bewältigt werden, ist Stringwalking nur im Bereich bis zu den 35 Metern möglich. Folgende Lösungen kommen infrage:

  • Von der technischen Seite her kann für ein schnelleres Setup gesorgt werden. Schnellere Wurfarme, leichtere Pfeile, schnelleres Sehnenmaterial und höheres Zuggewicht sind hier Möglichkeiten.
  • Einen zweiten, tieferen Ankerpunkt trainieren. Wird aktuell beispielsweise mit Zeigefinger im Mundwinkel geankert, kann ein zweiter, tieferer Ankerpunkt gesucht und antrainiert werden. Damit verlagert sich der Nullpunkt in weitere Distanz. Davon ausgehend, kann dann erneut differenziert abgegriffen werden.
  • Mediterraner Griff und Point-of-aim/gap Shooting. Mit dem mediterranen Griff anstatt 3-unter ergibt sich ebenfalls ein weiterer Nullpunkt. Es kann eine Lösung sein, die weiteren Entfernungen mit diesem Griff zu schießen, auf Stringwalking zu verzichten und mithilfe von Point-of-aim oder Gap-Shooting zu zielen.

Kann jeder Bogen mit Stringwalking geschossen werden?

An sich kann diese Zieltechnik bei jedem Bogen verwendet werden. Haben Bögen jedoch bereits von Haus einen recht großen, nicht einstellbaren Tiller, ergibt sich bei tiefem Abgriff eine sehr ungleichmäßige Belastung der Wurfarme im Auszug. 

Wie weit soll beim Stringwalking maximal abgegriffen werden?

Es gibt hierfür keine fixen Richtwerte. Der deutsche Bundestrainer Peter Lange empfiehlt in diesem Beitrag beispielsweise eine Tabbreite als Maximalwert.
WA-Trainerin und Trainer-Ausbilderin Urte Pauls empfiehlt in ihrem großen Buch vom Bogensport*, nicht mehr als eine Handbreite weit abzugreifen. 

Probleme mit dem Tiller werden natürlich eher vermieden, wenn die Abgriffweiten eher kurz gehalten werden. Letztendlich sollte man sich im Klaren darüber sein, in welchem Distanzbereich das Setup hauptsächlich verwendet werden soll. 

Blankbogen Stringwalking (WA)

Das Stringwalking ist vor allem aus der Blankbogen-Klasse beim Schießen auf wechselnde Entfernungen – Feldbogen und 3D Runden – bekannt. Nach WA Reglement gelten für den Stringwalking-Tab bzw. Fingerschutz folgende Regeln:

“22.3.8.
Finger protection in the form of finger stalls or tips, gloves, or shooting tab or tape, to draw and release the string is permitted, provided they do not incorporate any device that shall assist the athlete to hold, draw and release the string.”

Es kann also alles als Fingerschutz verwendet werden, solange es dem Schützen nicht als Zug-Halte- oder Ablasshilfe dient.

“22.3.8.1.
A separator between the fingers to prevent pinching the arrow may be used. An anchor plate or similar device attached to the finger protection (tab) for the purpose of anchoring is permitted. The stitching shall be uniform in size and colour. Marks or lines may be added directly to the tab or on a tape placed on the face of the tab. These marks shall be uniform in size, shape and colour and may have up to two different lengths. Additional memoranda is not permitted. On the bow hand an ordinary glove, mitten or similar item may be worn but shall not be attached to the grip of the bow.”

Obiger Punkt ist deshalb wichtig, weil beim Stringwalking natürlich eine Orientierung nötig ist, wie weit für die jeweilige Entfernung abgegriffen werden muss. Viele Schützen orientieren sich dabei entweder an den Nähten des Tabs oder auch an etwaigen bereits vom Hersteller angebrachten oder selbst hinzugefügten Markierungen. Diese Markierungen müssen also identisch sein, dürfen aber zwei verschiedene Längen aufweisen.

Das vollständige WA-Regelwerk könnt ihr hier nachlesen: https://worldarchery.sport/rulebook/article/3138

Stringwalking am Blankbogen